Öffentliche Erklärung anlässlich der Vorgänge beim RBB

Rundfunkrat und Verwaltungsrat des Hessischen Rundfunks (hr) haben sich in ihren ersten Sitzungen nach der Sommerpause am 23.9.2022 intensiv mit den Vorgängen beim RBB, den notwendigen Veränderungen innerhalb der ARD und möglichen Konsequenzen für den hr und seine Aufsichtsgremien befasst.

Der Rundfunkrat während einer Sitzung
Der Rundfunkrat während einer Sitzung Bild © hr/Sebastian Reimold

1. Der Rundfunkrat steht auch angesichts der aktuellen Debatte über die Rolle der Aufsichtsgremien zu der Kontrolle von Programm und Finanzen durch ehrenamtlich tätige Mitglieder der Rundfunk- und Verwaltungsräte. Die Rundfunk- und Verwaltungsräte sind ausschließlich der Allgemeinheit, den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft und dem öffentlich-rechtlichen Auftrag im Sinn des Medienstaatsvertrags, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Landesrundfunkgesetze, in unserem Fall des Gesetzes über den Hessischen Rundfunk, verpflichtet. Diese Arbeit kann durch hauptamtliche Strukturen und externe Expertise unterstützt, aber nicht ersetzt werden. Die Aufsichtsgremien müssen außerdem die Möglichkeit haben, externe Sachverständige hinzuziehen und unabhängige Gutachter zu beauftragen.

2. Wir begrüßen die Stärkung des Auftrags der Gremien im vorliegenden Entwurf zur Änderung des Medienstaatsvertrags, „über eine wirtschaftliche und sparsame Haushalts- und Wirtschaftsführung“ zu wachen (§ 31 Abs.2a). Der hr hat bereits in der Vergangenheit und verstärkt nach dem Bestechungsfall des ehemaligen hr-Sportchefs Strukturen geschaffen und weiterentwickelt, die diesem Ziel Rechnung tragen sollen. Dazu gehören unter anderem die Beschaffungsrichtlinien, das Vieraugen-Prinzip und das hr Compliance Programm. Die interne Aufsicht wurde durch die Einsetzung einer Compliance-Beauftragten, eines externen Ombudsmanns, der auch unter Wahrung der Anonymität angerufen werden kann, und eines Antikorruptionsbeauftragten personell verstärkt (siehe Geschäftsbericht 2021, S. 119). Alle Ausgaben, die den Betrag von 30.000 Euro überschreiten, müssen dem hr-Verwaltungsrat zur Erörterung bzw. ab einem Betrag von 200.000 Euro zur Genehmigung vorgelegt werden. Damit wurden Vorkehrungen getroffen, die individuelles Fehlverhalten zwar nicht komplett ausschließen, aber doch einem Organisationsversagen wie beim RBB vorbeugen können. Die Compliance-Beauftragte und der Leiter der Revision berichten regelmäßig im Verwaltungsrat und haben einen direkten Zugang zu den Aufsichtsgremien. Nach § 19 des Gesetzes über den Hessischen Rundfunk unterliegt der hr zudem der Prüfung durch den Landesrechnungshof.

3. Gemäß hr-Finanzordnung wird die Jahresrechnung durch einen vom Verwaltungsrat bestellten unabhängigen Wirtschaftsprüfer geprüft. Dieser Prüfbericht wird dem Rundfunkrat vor der Genehmigung der Jahresrechnung und der Entlastung des Intendanten und des Verwaltungsrats vorgelegt. Die Prüfung bezieht auch die Beantwortung aller Fragen, die sich aus § 53 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (HGrG) ergeben, ein. Gegenstand dieser umfangreichen Prüfung sind unter anderem die Mitwirkung von Mitgliedern der Geschäftsleitung in Aufsichtsräten und Kontrollgremien, die Vorkehrungen zur Korruptionsprävention, das betriebsinterne Controlling, das Revisionswesen, die ordnungsgemäße Beteiligung der Überwachungsorgane und die Einhaltung der Vergaberegelungen.

4. Rundfunkrat und Verwaltungsrat haben beschlossen, eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern beider Gremien einzurichten, die ausgehend von den in der Öffentlichkeit und in der GVK und der ARD aufgeworfenen Fragen überprüft, „ob die im hr bestehenden Regelwerke (Satzung über die betriebliche Ordnung, Geschäftsordnungen von Rundfunk- und Verwaltungsrat, Finanzordnung, Regelung für die Revisionsprüfungen, hr-Compliance-Programm, Beauftragung des Ombudsmanns, des Antikorruptionsbeauftragten und der Compliance-Beauftragten) ausreichend sind“.

5. Der Rundfunkrat unterstützt die Forderung der Gremienvorsitzendenkonferenz, einheitliche Standards für Compliance-Regelungen für alle Landesrundfunkanstalten der ARD zu implementieren und die ARD-Governance mit klaren Regelungen zu den Zuständigkeiten und zum Zusammenwirken der Instanzen zu reformieren. Außerdem begrüßt der Rundfunkrat den Beschluss der GVK vom 13./14.9.2022, „eine Empfehlung für Complianceregeln der Gremien der ARD-Anstalten zu entwickeln“.

6. Boni für Führungskräfte für Kürzungen oder Umschichtungen im Programm, wie sie beim RBB zusätzlich zu regulären und durchaus beachtlichen Gehältern gezahlt wurden, sind inakzeptabel. hr-Intendant Florian Hager bekräftigte in der Sitzung des Rundfunkrats, dass es solche Sonderzahlungen für Führungskräfte im hr nicht gibt. Wenn Umschichtungen unter anderem in digitale Formate erforderlich sind, um jüngere Zielgruppen zu erreichen, sind diese unter journalistisch-redaktionellen Gesichtspunkten gemeinsam mit den Beschäftigten zu entwickeln und auszugestalten. Führungskräfte, die dafür im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Boni kassieren, haben jedes Vertrauen verspielt.

7. Nach dem Kenntnisstand von Rundfunk- und Verwaltungsrat werden die gesetzlichen Regelungen zur Offenlegung der Bezüge des Intendanten bzw. der Intendantin sowie der Direktorinnen bzw. der Direktoren einschließlich der Aufwandsentschädigungen, der Ansprüche zur Nutzung eines PKW oder einer Bahncard sowie der Ansprüche bezüglich der Altersversorgung bzw. einer vorzeitigen Beendigung ihrer Tätigkeit im Hessischen Rundfunk nach § 18 Abs.5 hr-Gesetz beachtet (Geschäftsbericht 2021 S.122f.). Der Geschäftsbericht enthält auch die Vergütungstabelle für die Beschäftigten des Hessischen Rundfunks (S.124 f.). Die Tätigkeit von Mitgliedern der hr-Geschäftsleitung in Organen der Gemeinschaftseinrichtungen der ARD und von Tochtergesellschaften ist Bestandteil ihrer Aufgaben und wird nicht zusätzlich honoriert. Die Ausübung weiterer Nebentätigkeiten ist nur mit Zustimmung der Aufsichtsgremien zulässig. Die Forderung nach einer umfassenden Transparenz ergibt sich aus der treuhänderischen Verwendung der Rundfunkbeiträge, auch wenn dies in der Konkurrenz zu privaten Medienhäusern zu Nachteilen führen kann.

8. Der Rundfunkrat wird die Debatte über die Arbeit und die Wirksamkeit der Rundfunkräte einmal mehr zum Anlass nehmen, über sein Selbstverständnis, über die Bedingungen zur wirksamen Wahrnehmung seiner Aufgaben in Vertretung der Allgemeinheit und über die erforderlichen personellen Ressourcen zu beraten, und die erforderlichen Entscheidungen treffen. Auch wir sehen im Hinblick auf die Transparenz unserer Arbeit und den Dialog mit den Nutzerinnen und Nutzern der Angebote des hr Handlungsbedarf. Die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen und Fortbildungen in der Verantwortung der Aufsichtsgremien sollte verbindlich vorgegeben werden. In diesem Kontext werden wir auch die Erfahrungen aus dem Dreistufentestverfahren zur Prüfung des publizistischen und gesellschaftlichen Nutzens digitaler Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks evaluieren und prüfen, ob das Dreistufentestverfahren als Muster dienen kann, eine möglicherweise „zu große Nähe zu den Geschäftsleitungen“ zu verhindern. Im Dreistufentest sind die Intendantinnen und Intendanten verpflichtet, konkrete Vorhaben und deren Kosten den Aufsichtsgremien zur Genehmigung vorzulegen. Auch die dort praktizierte Kontrolle der Umsetzung geht weit über die bisherige Aufgabe der Beratung hinaus. Die für das Dreistufentestverfahren vorgegebene „Chinesische Mauer“ mit Beratungen und Entscheidungen der Rundfunkräte unter Ausschluss der Geschäftsleitungen könnte einen weiteren Beitrag zu der notwendigen größeren Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von den Intendantinnen und Intendanten leisten. Insoweit begrüßt der Rundfunkrat den aktuellen Entwurf zur Änderung des Medienstaatsvertrags, wonach die Gremien Qualitätsstandards für die Angebote der ARD zu überprüfen haben (§ 31 Abs. 2b).

9. Der Rundfunkrat steht auch unter den aktuellen Bedingungen und angesichts der berechtigten Kritik zum System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dessen Notwendigkeit und Leistungsfähigkeit auch durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des hr täglich eindrucksvoll unter Beweis gestellt und von den Hessinnen und Hessen aufgrund seiner Unabhängigkeit und Verlässlichkeit in großem Maße geschätzt werden. Gerade die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von RBB und NDR leisten in diesen Tagen Enormes, um die Vorgänge nach journalistischen Grundsätzen aufzuklären und Veränderungen anzustoßen. Wir weisen alle Versuche zurück, die Vorgänge rund um den RBB dazu zu nutzen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter Generalverdacht zu stellen und in Misskredit zu bringen.

10. Bei allen Entscheidungen staatlicher Organe, durch eine Änderung von gesetzlichen oder staatsvertraglichen Regelungen in die Entscheidungsabläufe und Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzugreifen, sind die Grundsätze der Staatsferne, der Unabhängigkeit, der Rundfunkfreiheit und der Programmhoheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Tarifautonomie zu respektieren und zu bewahren.

Quelle: Rundfunkrat